Text: Katharina Schmid
Foto: Evi Lemberger
Wenn das Musik- und Mountainbike-Festival „Rock The Hill“ an einem Juni-Wochenende stattfindet, lockt es mehrere tausend Besucher an den Geißkopf. Martin Pfeffer organisiert das Festival als einer von sechs Verantwortlichen mit – in seinem Urlaub. Woher seine Motivation nimmt, und was passiert, sollten die „Beatsteaks“ zum „Rock The Hill“ kommen, erzählt er uns im Interview.
Markus Kerner 2. Vorsitzender Bayerischer Waldverein, Martin Pfeffer, , Max Englram,
Martin, in zwei Sätzen, was macht den Charakter des „Rock The Hill“-Festivals für dich aus?
Pfeffer: Das Familiäre. Das ist ein sich die Hände geben, ein Miteinander, ein gegenseitiges Vorwärtspeitschen. Eine Fusion, könnte man sagen.
Wie ist das Festival getaktet?
Pfeffer: Über ein komplettes Wochenende, sprich von Freitag bis Sonntag haben wir unsere Programmpunkte verteilt. Wobei Freitag- und Samstagabend der musikalische Teil der Veranstaltung im Fokus ist und Samstag sowie Sonntag tagsüber das MTB-Rahmenprogramm die höchste Priorität genießt. Neben den fünf bis sechs Livebands pro Abend gibt es natürlich auch eine Aftershowparty mit DJ-Action zum Ausklang des Tages. Beim Mountainbike-Programm legen wir besonderen Wert auf Qualität und Individualität. Von Erste-Hilfe-Kursen bis hin zu MTB-Einsteiger- oder Fortgeschrittenenkursen weiter über Downhillkurse ist da sehr viel geboten. Es gab die letzten Jahre auch noch weitere Highlights. „Guten-Morgen-Yoga“ auf‘m Geißkopf-Gipfel, einen MTB-Wiesenslalom über die Skipiste oder ein Pumptrack-Race zähle ich da hinzu. Daneben bieten wir eine Expo an, die für jedermann zugänglich ist und zu der meist um die 40 Aus- und Hersteller kommen, die regional aber auch überregional vertreten sind.
Wie viele Besucher lockt ihr damit an?
Pfeffer: Pro Tag sind es um die 2000 zahlende Gäste, also Besucher,die sich ein Ticket für den Musikpart gekauft haben. Tagsüber kommen dazu nochmal um die 2000 Besucher, die die Expo besuchen, am Rahmenprogramm teilnehmen oder zufällig in der Region sind und vorbeischauen. Auch das Campen findet mehr und mehr Anklang, mittlerweile sind es so 500 bis 800 Camper am Festival-Wochenende.
Gemeinde, Bikepark und Geißkopf-Besitzer stehen hinter euch. Aber die Hauptarbeit bleibt bei euch hängen, lauter ehrenamtliche Festivalmacher.
Wie schauen die Vorbereitungen aus?
Pfeffer: Es fängt bereits an, sobald du die Festivalarea vom vorherigen Jahr aufgeräumt hast. Dann schöpfst du schon wieder Motivation für’s kommende Jahr. Man überlegt während der Abbauarbeiten schon, was könnte anders, besser, effizienter gestaltet werden, was sollte komplett überarbeitet werden und welche Dinge sind gut verlaufen. Die Arbeit verteilt sich dann über das komplette Jahr: Marketing, Merchandising, Eventsharing und viele Aufgaben mehr. Eine bis zwei Wochen vor und nach dem Festival herrscht dann richtig Action.
Und „richtig Action“ heißt?
Pfeffer: 24 Stunden am tag Rock’n’Roll. Wir sechs Organisatoren sind fast tagtäglich vor Ort. Von Bauzaun aufstellen bis Zelt aufbauen machen wir alles komplett selber. Das Herzstück dabei ist unsere Crew, früher vor allem Freunde und Bekannte, mittlerweile um die 120 Helfer, die uns Tag für Tag voller Tatkraft unterstützen. Das besagte familiäre Verhältnis bezieht sich auf all unsere Crew-Mitglieder. Ohne sie wäre das „Rock The Hill“ nicht das „Rock The Hill“. Das alles ist ein großer Freundschaftsdienst. Denn wäre das Finanzielle für uns wichtig, könnten wir die ganze Gaudi nicht stemmen. Aber deshalb machen wir‘s ja nicht, sondern weil’s Spaß macht.
Beschreib uns doch mal, wie der Tag vor Festivalstart ausschaut.
Pfeffer: Einen Tag davor, da bist du im wahrsten Sinne des Wortes am Durchdrehen. Das spielt alles etwas verrückt. Privater Natur bin ich eigentlich ein höchst professioneller Chaot. Nur wenn es um organisatorische Sachen bzgl. dem „Rock The Hill“ geht, da mutiere ich zu einem Perfektionisten. Da muss wirklich alles zusammenpassen. Man möchte schließlich den Leuten eine ordentliche Portion Spaß bieten. Dementsprechend werde ich dann immer zum „Mädchen vom Dienst“ der Truppe, bin überall zu finden und am Koordinieren. Da wird einem nicht nur körperlich, sondern auch geistig einiges abverlangt.
Gibt’s trotzdem die Momente, wo du dir denkst, jetzt reicht‘s mir, das war’s?
Pfeffer: Es gibt immer Momente, wo du dir zwischenzeitlich denkst, warum mach ich den Sch…, warum tu ich mir das an? Aber wenn du während eines Konzerts oben auf der Bühne bist, hinter den Kulissen, keiner dich sieht, du alle zusammen springen, tanzen, lachen siehst – das ist phänomenal. Das ist für mich ein Gänsehaut-Moment, bei dem mir mein Herz aufgeht. Man kann diese Gefühle nicht in Worte fassen. Das ist einfach das Schönste.
Was machst du denn eigentlich sonst in deinem Leben, wenn du nicht grad das „Rock The Hill“ organisierst?
Pfeffer: Ich bin hauptberuflich Softwareentwickler bei Rohde&Schwarz in Teisnach. Außerdem laufe ich auch noch recht viel in den Bergen herum, bin Ultratrailer und spule in der Woche um die 180 Laufkilometer ab.
Mountainbiken tust du nicht?
Pfeffer: Ich bin tatsächlich der einzige „Nichtradler“ im Orga-Team. Aber meist trotzdem schneller mit meinen Füßen wie die mit dem Radl. [lacht]
Wie bist du zu der ganzen Geschichte eigentlich gekommen?
Pfeffer: Bairisch gesagt via „Bierschmaaz“.
Bierschmaaz?
Pfeffer: Die Idee „Rock The Hill“ hat 2007 das erste mal zu einem kleinen Hinterhof-Konzert geführt. Drei, vier meiner Spezln hatten sich zusammengesessen und den Plan eines kleinen Konzerts angeschoben. Als Ergebnis haben im Hinterhof eines Gasthauses in Gotteszell ein, zwei bands aufgespielt. Das hat sich über die Jahre so positiv entwickelt, dass aus ein, zwei Bands an einem Abend schließlich zwölf Bands auf zwei Abende verteilt wurden. 2015 kam es dann zur Fusion mit dem Geißkopf und damit zur Verschmelzung von Musik und Mountainbike. Größten Verdienst haben dabei Chris Ettl, der zu der Zeit beim Mountainbike-Magazin „World of MTB“ gearbeitet hat, und Tobi Gierl aus dem Orga-Team. Diese beiden hatten die Kernidee, die wir dann alle zusammen angeschoben und vollendet haben. Dabei hat man uns eingangs noch mit auf den Weg gegeben, dass sich in den letzten Jahren ein Event am Geißkopf noch nie so richtig durchsetzen habe können. Ich denke, seit Beginn 2015 bis einschließlich heute haben wir da so ziemlich das Gegenteil bewiesen! [Bei Bedarf kürzen: Natürlich lief nicht immer alles glatt, aber wir haben dazugelernt, sind extrem wiss- und entwicklungsbegierig, um das Festival nicht nur für uns persönlich, sondern auch für die Region als Leuchtturmprojekt präsentieren zu können. Es funktioniert nach wie vor.]
Welche Festivalgeschichten haben sich über die Jahre angesammelt?
Pfeffer: Diese zwei zum Beispiel. 2015 beim ersten Festival am Geißkopf hat sich ein Pärchen kennen und lieben gelernt. Ein Jahr darauf waren sie wieder da, diesmal als Paar, und nochmal ein Jahr später als Mann und Frau verheiratet. Als wir diese Geschichte gehört haben, haben wir nicht lange überlegt und ihnen für das nächste „Rock The Hill“ Freikarten geschenkt [lacht]. Genau solche Geschichten zu hören, macht einen sehr glücklich.
Und die zweite?
Pfeffer: 2018, ein sehr einschneidendes Szenario. Drei Tage vorm Festival warten um die 15 Leute auf die Zelte zum Aufbauen, ein größeres Partyzelt und ein kleineres für den Backstagebereich. Aber zum terminierten Zeitpunkt kam dieser hoffnungsvoll erwartete Lastwagen nicht. Was ist da los? Ein Mitorganisator ist der Sache nachgegangen, hat beim Verleiher angerufen: Wie schaut‘s aus, wo bleibst du? Die Antwort: Wieso, ihr seid doch erst nächste Woche dran? Drei Tage vorm Event sind wir ohne Zelte dagestanden! Die Bühne stand, das Areal war mit Bauzaun abgegrenzt, Termindruck war da, die Crew zum Aufbauen waren da – aber die besagten Zelte haben gefehlt. Dann war ordentlich Rock’n‘Roll. Erste Prio, Ruhe bewahren und keine Streitigkeiten entstehen lassen in dieser extrem krassen Situation, cool handeln und sich trotz des Drucks nicht in die Haare kommen.
Oh je, aber es gab schließlich auch 2018 Zelte?
Pfeffer: Ja, wir hatten das dann noch ordentlich gedeichselt bekommen. Wir haben alles Mögliche versucht und dann am nächsten Tag die Zelte doch noch bekommen. Alles war gut.
Lasst ihr als Veranstalter bei der Musikauswahl eigentlich eure privaten Wünsche einfließen?
Pfeffer: Absolut! Aber letztendlich ist das eine Entscheidung, die alle sechs betrifft. Man hat selbstverständlich musikalische Vorlieben, die kann man in die Runde einwerfen, und dann wird das demokratisch abgewogen. Passt das gerade in die aktuelle Zeit? Wie steht es um die Band? Könnte da noch eine neue Scheibe rauskommen, die uns zum Event hin nochmal pushen würde? Welche Vorlieben hat das Publikum gerade? Passt die Band zum „Rock The Hill“? Passt die Band zum restlichen Line-Up? Und letztlich die wichtigste Frage, passt die Band in das festgelegte Budget? Es ist in meinen Augen jedes Jahr eine Meisterleistung, das vielfältige Line-Up-Konstrukt so zusammenzustöpseln, dass das Paket „Rock The Hill“ sexy klingt, und wir trotz der Qualität immer das Budget im Auge behalten. Der größte Dank geht dabei an unserem Booker im Orga-Team und Gründungsmitglied Tobias Gierl.
Ihr schafft es ja immer wieder, echte Größen der Szene im LineUp zu haben. Russkaja, BoySetsFire, Dicht&Ergreifend, ...
Pfeffer: Ja, eben auch Bands, die zum Teil nicht so leicht zu kriegen sind. Wir haben uns über die letzten Jahre in der Musik-Szene sehr attraktiv gemacht, so dass jetzt auch größere Booking-Agenturen auf uns aufmerksam werden, auf uns zukommen und fragen, ob wir noch zufällig Platz für die und die Band hätten. In meinen Augen ist das ein Ritterschlag. Die Jahre zuvor war‘s schon härter und kräftezehrender. Aber ohne uns selbst jetzt zu sehr loben zu wollen, Qualität aus dem Bayerischen Wald zahlt sich aus. [lacht]
Fotos von: Sebastian Marggraff, Tobi Bals, Thurnbauer, Stephanie Probst, Fritz Bielmeier, Hans Schmidbauer, Johannes Schreiner, Pixeltypen
Was macht diese Qualität deiner Meinung nach aus?
Pfeffer: Da komm ich wieder auf das familiäre Flair zurück. Der Zusammenhalt und der Teamspirit unserer Crew schwappt nicht nur auf die Festivalbesucher über, sondern auch auf die Bands. Bereits im Backstagebereich bekommen die anreisenden Acts die Liebe und Zuneigung unserer Crew zu spüren. Auch während des Aufenthalts versuchen wir, so gut es geht, ihnen alle Wünsche zu erfüllen, um ihren Auftritt besonders werden zu lassen. Ein Beispiel dazu wäre „Dicht&Ergreifend“ 2018. Nach extrem hektischer Anreise hatten sie eingangs schon gesagt, dass sie direkt nach dem Gig abreisen wollen. Die letzten Tourtage waren wohl extrem stressig. Nachdem sie dann aber von unserer Backstage-Crew liebevoll empfangen, übers Festivalgelände geführt und mit Speis und Trank aufgepäppelt worden sind, war nichts mehr von ihrer Anspannung zusehen. Nach ihrer brutal guten Live-Show sind sie dann am Gelände rumgeschlendert, haben sich unters Volk gemischt und sich schließlich spät nachts bzw. am frühen Morgen auf einer „Crew-After-Showparty“ wiedergefunden. Abschließend haben sie sich freudestrahlend bedankt, wie cool es bei uns gewesen sei, welch ein familiäres und liebevolles Miteinander bei uns herrsche.
Hand aufs Herz, welche Band würdest du dir einladen, wenn du es dir aussuchen könntest?
Pfeffer: Neben den „Foo Fighters“ wären das noch die „Beatsteaks“ und die „Broilers“- Das wären so die drei Top Acts, die ich mir mal wünschen würde am „Rock The Hill“. Wir haben sogar mal Crew-intern beschlossen, wenn dieser Fall mal eintreten sollte, und wir die „Beatsteaks“ herholen können, dann hören wir auf. Weil dann haben wir’s geschafft [lacht].
Na, dann hoffen wir mal nicht, dass die so schnell kommen. Jetzt habt ihr das Festival aufgrund der Corona-Pandemie schon das zweite Jahr in Folge verschieben müssen. Aber es gibt Alternativveranstaltungen, richtig?
Pfeffer: Das ist richtig, ja. Als die Corona-Sache 2020 losgegangen ist, haben wir uns zusammengehockt und uns gefragt, wie geht’s weiter? Absagen? Verschieben? Eingangs war die Idee, einen befreundeten Musiker auf den Geißkopf-Gipfel antanzen zu lassen, um die Festival-Absage bzw. -Verschiebung musikalisch zu untermalen, das Ganze zu filmen und via YouTube in die Welt zu tragen. Dann ist aber alles ganz anders gekommen. Wir haben uns Hals über Kopf in den Geißkopf-Gipfel als Naturbühne verliebt: regionale Bands und Musiker hören und den Blick über den kompletten Bayerischen Wald schweifen lassen. So haben wir unsere „Rock The Hill“-Alternative für die Corona-Zeit mehr oder weniger zufällig gefunden. Das Ganze natürlich ohne Publikum. Aber wir haben die Performance der Musiker am Gipfel gefilmt und sie auf unserem YouTube-Kanal vermarktet. Auch die Musiker hatten große Freude daran und haben uns motiviert, mit dem Format weiterzumachen.
Irgendwann dann auch mit Publikum, oder?
Pfeffer: Genau. Im Oktober 2020 hatten wir die Möglichkeit, 100 Leute auf den Berg zu lassen. Mit dieser Genehmigung haben wir die Naturbühne am Geißkopf-Gipfel auch für Publikum zugänglich machen können. Und als Zuckerl für die Leute war das auch noch kostenlos. Nur eine Registrierung und eine Liftfahrt war für die Gäste notwendig. Die waren für das Konzept Feuer und Flamme und sind raufgewandert, mit dem Lift hochgefahren oder raufgeradelt. Das Funkeln in den Augen und ihr Grinsen wieder zu sehen, hat zu der Zeit ganz schön gutgetan. Und auch die Musiker haben sich sehr gefreut, wieder vor Publikum spielen zu dürfen.
Klingt nach einer richtig schönen Alternative. Hoffen wir trotzdem, dass das Festival in gewohnter Form auch bald wieder stattfinden kann! Danke dir für das Gespräch, Martin.
Ein neues Jahr, eine zweite Auflage und vor allem viele neue Lesungen. Start ist am 1.4. in Sankt Englmar im wunderschönen Prellerhaus: Gespräch und Lesung mit einigen Autoren und Kristina Pöschl vom Verlag. Eintritt ist frei. Es wird gelesen, geratscht und hoffentlich ein bisschen gefeiert. Ein besonderes Schmankerl- Tobias Probst an der Harfe und Zither.
Release Party des Buches "15 Gipfel" am 27.5.2022 um 19 Uhr in der Roten Res.