Text: Mirko Boysen
Foto: Benedikt Seidl
Kabarettistin, Pianistin, Sängerin, Komödiantin, Schauspielerin und „Saudiandl“ Barbara Dorsch ist in Passau eine Institution. Wir haben mit ihr über Aktivismus, Kunst und die Ilz gesprochen.
Barbara Dorsch, Passau
Wie bist du denn zur Musik und zur Kunst gekommen?
Mein erstes Instrument war eine Melodica, ein Pusteklavier. Mein Opa hat dann nach dem Hochwasser 1954 ein Klavier gekauft. Und dann hat meine Mutter die Liedbegleiterin gemacht im Kirchenchor, Liedbegleiterin für Kunstlieder. Es sind dann immer viele Mädels vorbei gekommen, meine Tante, meine Schwester. Und dann haben wir einfach wahnsinnig viel gesungen, jedes Wochenende. Und so bin ich zur Musik gekommen.
Es gibt ja viele Künstler, die sich von der Region inspirieren ließen. Emerenz Meier kam auch von hier. Wie hat sie dich denn geprägt?
Also zur Emerenz Meier fühle ich mich ganz stark hingezogen. Die war einfach so tough. Die hat Bier gebraut, als sie dann in den USA war, obwohl damals Prohibition war. Die hat einiges gemacht. Dann war sie auch Kommunistin. Und ich bin ja auch mit 13, als ich auf der Straße unterwegs war, bei den Roten Zwergen gewesen. Übrigens mit dem Peter Seewald, der hat die Papstschriften rausgegeben. Der war Kommunist und hat dann beim Spiegel gearbeitet. Über ihn kamen wir damals dazu, die Mao-Bibel zu lesen, und Marx und Engels. Ich war damals ja erst 13, ich bin hingegangen, weil es da so fesche Burschen gab. Wir haben dann zum Beispiel Jazz-Messen gestaltet.
Da war sicherlich einiges los, damals.
Da gab’s die Nibelungenhalle, da wo jetzt die Stadtgalerie ist, die hat Hitler damals bauen lassen. Und da waren immer rechte Strukturen da, zum Beispiel die DVU, die Deutsche Volksunion. Die haben da ihren Zirkus veranstaltet. Und ich bin damals auf einen Lastwagen gesprungen und hab gesungen: „Und, weil der Mensch ein Mensch ist, drum braucht er was zum Fressen, bitte sehr!“ Brecht habe ich gesungen. Und dann sind die Molotowcocktails geflogen, links und rechts. Damals wurde dann auch das Anti-Strauß-Kommitee gegründet. Einmal wollte ich mit einem Buttersäureanschlag versuchen, die Halle außer Gefecht zu setzen. Der Strauß ist am Aschermittwoch gekommen. Und ich habe am Faschingsdienstag mit einem Mitkommunisten den Anschlag geplant. Ich wusste wo man da einsteigen konnte. Daraus ist dann nichts geworden, weil der Depp so einen Rausch gehabt hat, dass er sich auf die Ampullen gesetzt hat, in seinem Auto. Das hat bestialisch gestunken. Und so bin ich Aktivistin geworden.
Natürlich gab es dann auch die große Protestbewegung in Wackersdorf.
In Wackersdorf war ich dabei, genau. Geige habe ich da gespielt, mit der der Gerlinde Feicht, einer Akkordeonspielerin. Zusammen waren wir ja die „Passauer Saudiandl“. Heute machen wir sowas nicht mehr. Es ist ja nichts verdient mit der Politkacke.
Was sind denn „Saudiandln“?
Das waren damals die Damen am Hof, die die Schweine in den Stall getrieben haben. Das war eine wichtige Aufgabe, sonst wären die ja davongerannt. Und wir waren das – die wichtigsten am Hof.
Und was bedeutet das also Name, im übertragenen Sinn?
Muss man das denn wirklich erklären?
Vielleicht für Nicht-Dialektsprecher
Ich mach halt einen Saustall auf und lass die Säue rein.
Kunst sollte für dich aber an sich schon politisch sein?
Ja, das denke ich schon. Wenn ich auf dem Klo bin und mein Geschäft verrichte, dann ist das politisch. Alles was man von sich gibt ist politisch.
Siehst du denn bei der damaligen Protestbewegung Parallelen zur aktuellen Klimabewegung?
Ja, natürlich. Bei Fridays For Future bin ich ja auch als Aktivistin und Musikantin mit dabei. Da haben wir 6000 Schülerinnen und Schüler an Land gezogen, um zu demonstrieren. Da war der Bischof, Dr. Stefan Oster, Grünenpolitiker, ÖDP-Politiker. Alle haben wir aktiviert. Das war prozentual die größte Demo in Europa.
Woher nimmst du den deine Inspiration
Ich habe eine große Bibliothek an Büchern und dort stöbere ich ab und an. Dort finde ich immer etwas, dass mich inspiriert.
Du lebst ja quasi neben der Ilz. Ist das richtig?
Ich habe fast mein ganzes Leben lang neben der Ilz gewohnt. Ich bin 1956 in Passau geboren und lebe in diesem Haus fast 62 Jahre. Ausser als ich kurz wegging und das Haus aufgrund des Hochwassers wieder hergerichtet wurde.
Das Hochwasser, das hat dich damals sehr erwischt?
Ja, wir hatten zweimal ein Hochwasser. 2002 und 2013. Das erste Mal ist das Wasser nur bis in den ersten Stock gekommen. Die Wohnung hat es nicht erwischt. Aber 2013, da hat es mich erwischt. Bis in die Hochparterre ist das Wasser gekommen. Da sind dann ganze Baufirmen angereist. Mein Flügel wurde aus dem Haus geschwemmt. An diesem Tag war ich auf einem Konzert und kam nach Hause. Ich war da mit ein paar Leuten unterwegs und auf dem Weg nach Hause sagten wir noch: Mensch was ist da los, es regnet ja noch immer? Wir haben gelacht und es nicht ernstgenommen. Als wir dann zum Haus kamen waren wir geschockt und ich dachte mir: Was ist denn da los? Ich bin dann ins Haus rein und das Wasser ist immer weiter gestiegen. Die Feuerwehr kam dann und ich musste dann mit der Leiter vom zweiten Stock auf die Straße. Ich habe geschrien wie am Spieß. Das war am 13. Juni 2013. Normalerweise ist der Wasserstand bei 4 Metern. An diesem Tag war der Wasserstand 12 Meter.
Das ist ja eine Tragödie.
Ich bin da auf meinem Stuhl gesessen und ich habe mir nur gedacht: Oh mein Gott. Man hat 2002 schon gesagt, dass es ein Jahrhundertwasser war, aber das war nochmal ein ganz anderes Kaliber. Ich musste aus dem Haus raus und wurde für 4 Wochen evakuiert. Uns wurde dann auch sehr geholfen. Es kamen Bauarbeiter aus Berlin und verlegten mir neue Böden und wir bekamen staatliche Unterstützung.
Die Natur war dir schon immer wichtig, gerade die Ilz hat einen besonderen Platz in deinem Herzen. Wie würdest du die Ilz denn beschreiben?
Sie mäandert. Sie reißt nicht, sie gluckst und gurgelt.
Ist die Ilz und ihre Flusslandschaft denn eine Inspirationsquelle für dich?
ie Ilz und ich als Motiv. Ich geh auch oft ins Wasser für die Leute. Ich im Abendkleid mit Gummischuhen. Dann stehe ich da drin und spiele Melodica. Ich heiße ja die Ilzige in Passau, weil ich von der Ilz bin. Das gibt es eigentlich nicht, das Wort, aber so habe ich mich eben getauft.
Du hast der Ilz ja sogar einmal ein Gedicht gewidmet. Was hast du denn für eine persönliche Beziehung zum Fluss und zur Region?
Wie das im Gedicht ja vorkommt, hat mein Onkel mich mit fünf in die Ilz geschmissen. Und ich bin dann wie so ein Hund gepaddelt, man kennt das ja. Und ich hab es dann geschafft, ich bin nicht untergegangen. Ich bin ja schön öfter mal abgesoffen, nicht nur symbolisch. Aber ich gehe nicht unter. Die Emerenz [Meier] ist ja auch nicht untergegangen. Ich habe also mit fünf Jahren das Schwimmen gelernt, symbolisch gedacht also auch zu überleben. Das ist mein Leben.
Ein neues Jahr, eine zweite Auflage und vor allem viele neue Lesungen. Start ist am 1.4. in Sankt Englmar im wunderschönen Prellerhaus: Gespräch und Lesung mit einigen Autoren und Kristina Pöschl vom Verlag. Eintritt ist frei. Es wird gelesen, geratscht und hoffentlich ein bisschen gefeiert. Ein besonderes Schmankerl- Tobias Probst an der Harfe und Zither.
Release Party des Buches "15 Gipfel" am 27.5.2022 um 19 Uhr in der Roten Res.